Demenz - Ruth Alder-Waser

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Demenz




Vorwort des Reihenherausgebers

Das vorliegende Buch ist ein sehr bemerkenswertes Werk und eine Bereicherung für die Reihe «Rethinking Ageing». Es ist sowohl Zeugnis als auch Résumée der Arbeit, die Tom Kitwood während der vergangenen 10 Jahre geleistet hat. Zum ersten Mal werden darin in einem einzigen Text sowohl die alternative theoretische Analyse der Verursachung einer Demenz als auch seine inspirierten Ideen und seine bahnbrechende Herangehensweise in der Praxis zusammengeführt. Beides war zuvor nur in Zeitschriftenbeiträgen enthalten oder wurde in Trainingskursen und Leitfäden für Betreuende dargeboten.
Von allen Bereichen der Arbeit mit älteren Menschen bildet die Pflege von Menschen mit Demenz vielleicht die stärkste Herausforderung. Sie stellt die höchsten Anforderungen an Angehörige und Personal   Menschen, die in ihren Bemühungen im allgemeinen nur wenig Unterstützung und Anerkennung bekommen. Die Pflege von Menschen mit Demenz ist oft von Verdammnis und Schwermut gekennzeichnet: Welche Hoffnung kann es schließlich für Menschen geben, so heißt es, die an einer bislang unheilbaren Krankheit leiden? In diesem düsteren Kontext war die Arbeit von Tom Kitwood und der Bradford Dementia Group, die er vor 10 Jahren gründete, wahrhaft bemerkenswert. Zahllosen Tätigen und Betreuenden war sie eine Quelle der Hoffnung und positiver Ideen.
Das Angebot Tom Kitwoods besteht in einer Herangehensweise an die Arbeit, die praxisbezogen ist und gleichzeitig auf der Betrachtung des Leidenden als ganzem Menschen beruht. Seine Arbeit hat die negative Verbindung zwischen «keine Heilung» und «keine Hoffnung» in der Pflege von Menschen mit Demenz gekappt, indem gezeigt wird, wie geholfen werden kann, und indem die Vision einer neuen Pflegekultur dargelegt wird. So wurde beispielsweise in den Trainingskursen der Bradforder Gruppe zum Thema « Dementia Care Mapping», d. h. der «Abbildung der Landschaft er Demenzpflege» für in der Pflege Tätige eine Methode zur Evaluierung der Plege von Menschen mit Demenz unterrichtet, die zu einer Steigerung der Qualität eben dieser Pflege führen kann. Wie die gesamte Arbeit der Bradforder Gruppe beruht auch Dementia Care Mapping auf gewissen Prinzipien des Personseins, die dem dementen Individuum zugeordnet werden, und auf Zielen zur Steigerung des Wohlbefindens durch qualitätvolle Pflege. Tom Kitwood stellt diese Bejahung es Personseins in einen bewussten Gegensatz zu
der tiefverwurzelten «malignen, bösartigen Sozialpsychologie», die genau das Gegenteil bewirkt, nämlich das Unbehagen der dementen Person zu verstärken. In seinem Ansatz wird die einzigartige Subjektivität der dementen Person, ihre singuläre Weise, das Lebe und seine Beziehungen zu erfahren, anerkannt und versucht, diese Erfahrung und die Realität ihrer Gefühle zu würdigen. Entgegen dem alten Paradigma der Pflege von Menschen mit Demenz, bei dem das Verhalten einer dementen Person als bedeutungslos galt, wird in seinem Ansatz versucht, die Bedeutung eines Verhaltens, das irrational und problematisch erscheinen mag, aufzudecken.
Tom Kitwoods praktischer Ansatz einer Verbesserung der Pflege wurde durch ein Überdenken der Krankheitsursachen ergänzt. In einer Reihe theoretischer Veröffentlichungen ist Kitwood das Standardparadigma der Verursachung einer Demenz mutig angegangen. Der durch dieses Paradigma vermittelten Sichtweise zufolge sind die mentale und emotionalen Symptome einer Demenz lediglich die Folge einer Reihe katastrophaler Veränderungen im Gehirn. Kitwood dagegen argumentiert, dass diese eurologischen Veränderungen allein nicht hinreichen, um zu erklären, wie die Krankheit in speziellen Fällen auftritt. Vielmehr müssen wir die Biographie des dementen Patienten und dessen soziale und emotionale Geschichte sowie die Art, in der unsere Interaktion mit dem Individuum unter Umständen dessen Unbehagen oder bei qualitätvoller Pflege   dessen Wohlbefinden verstärken kann mitberücksichtigen. Er betont, wie wichtig es ist, dass wir in der dementen Per an uns selbst sehen, und meint, dass bei guter Pflege ein gewisses Maß an Wiederherstellung personaler, darunter auch geistiger Funktionen (rementing) möglich ist. Ferner bringt er die Pflege von Menschen mit Demenz paradigmatisch it den Werten unserer Kultur in Verbindung.
Tom Kitwoods Buch wirft ein völlig neues Licht auf die Themen Demenz und Demenzpflege und passt d her ausgezeichnet in die Reihe «Rethinking Ageing». Es ist eine intellektuelle Herausforderung für diejenigen, die zur Ätiologie eines der drängendsten sozialen Probleme unserer Zeit forschen und darüber nachdenken, und es öffnet denjenigen en Weg, die um eine qualitätvolle Pflege von Menschen mit Demenz ringen.

Brian Gering
School of Health and Social Welfare The Open University





Verlag Hans Huber
Demenz
ISBN 3-456-83435-7

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